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Gewalt an Frauen*körpern in türkischen Gefängnissen

21. Februar 2017 @ 18:00 - 20:00

Physische und psychische Gewalt an Frauenkörper in türkischen Gefängnissen am Beispiel „Sara: Mein ganzes Leben war ein Kampf – Gefängnisjahre“

Die 1958 in Dersim (Trk.: Tunceli) geborene Sakine Cansız (Sara) schloss sich im Alter von 18 Jahren dem kurdischen Widerstandskampf an und ist eine von zwei Frauen*, die am Gründungskongress der Arbeiterpartei Kurdistans (1978) teilnahm. Ihren Fokus setzte sie auf die Organisierung von Frauen* in den verschiedenen Gebieten der Türkei und Nordkurdistans, da sie im Kampf um Befreiung keinen anderen Ausweg sah, als diesen mit Frauen zu gehen. Historisch betrachtet gab es zu diesem Zeitpunkt in der Türkei und Nordkurdistan keine ähnliche Frauen*organisierung; weder in der türkischen Linken noch in den nationalen kurdischen Strukturen. Somit legte Sakine Cansız (Sara) die Grundlage für die kurdische Frauen*bewegung.

Ein Jahr vor dem Militärputsch 1980 wurde Sakine Cansız verhaftet. Während ihrer elfjährigen Inhaftierung (1979-1990) in verschiedenen türkischen Gefängnissen wurde sie Opfer von schwerster Folter, gegen die sie entschlossen Widerstand leistete und dadurch zu einer Symbolfigur des kurdischen Frauen*befreiungskampfs wurde. Im vorliegenden zweiten Band beschreibt Sakine Cansız die elf Gefängnisjahre, wobei im Besonderen die Zeit im Gefängnis von Amed (Trk.: Diyarbakır) nach dem Militärputsch 1980 behandelt wird. Darin thematisiert sie Geschlechterverhältnisse und welche Relevanz die Gleichung Frau* – Kurdin* – Revolutionärin* trägt, wenn es um die physische und psychische Gewalt an Frauen*körper in türkischen Gefängnissen geht. Zentrale Figur der Gewalt war der damalige oberste Befehlshaber im Militärgefängnis Amed (Trk.: Diyarbakır) – Esat Oktay Yıldıran, der die Schmerzensschreie der Frauen* während der Folter als „wunderschöne Melodie“ beschrieb. Diese Gewalt äußerte sich in physischer, psychischer und sexualisterter Gewalt gegen Frauen* und ihre Körper. Frauen*körper stellen schon immer einen zentralen Angriffspunkt, insbesondere in Situationen mit starkem Machtgefälle, wie zum Beispiel Krieg und Gefängnis, in der Unterdrückung durch das Patriarchat dar. Im Fall vom Gefängnis von Amed (Trk.: Diyarbakır) ist es unter anderem die Folter in Form von Bastonade, Vergewaltigungen, Gewalt an den Genitalien sowie die psychische Peinigung, zum Beispiel Isolationshaft, Stapeln von nackten Inhaftierten, Urinieren auf Gefangene, die Befriedigung bei Yıldıran erbrachte. Eine weitere Demütigung stellte die Frage nach der Nationalität dar, bei der er insbesondere bei Sakine Cansız auf Widerstand stoß. Trotz mehrmaligen Nachfragen antwortete sie, dass sie Kurdin sei und betonte: „Ich bin vor allem Revolutionärin. In der Revolution ist die Herkunft nicht so wichtig, aber ich bin Kurdin. Wäre ich Türkin, würde ich es zweifellos zugeben.“ Darauf folgte die Bastonade, die von Sakine
Cansız mit Schweigen beantwortet wurde, bis sie das Bewusstsein verlor.

Sakine Cansız (Sara) ist nicht nur für ihre starke und sichere Haltung bekannt, sondern auch für ihre Wärme und Überzeugung von der Revolution. Widerstand zeigte sie nicht nur im Gefängnis bei Esat Oktay Yıldıran und den anderen faschistischen Gefängniswärtern des Putschregimes, sondern auch als erste Frau im kurdischen Befreiungskampf, die eine politische Verteidigung vor Gericht vorlegte und die Organisierung von Frauen* sowie Frauen*solidarität im Gefängnis als Antwort auf die unmenschliche physische und psychische Praxis in den türkischen Gefängnissen des Putschregimes darlegte. Diesen Kampf führte sie auch nach ihrer Haftzeit in verschiedenen Bereichen der kurdischen Befreiungsbewegung bis zu ihrem Tod fort. Am 9. Januar 2013 wurde Sakine Cansız (Sara) gemeinsam mit ihren Genossinnen Fidan Doğan (Rojbîn) und Leyla Şaylemez (Ronahî) kaltblütig in Paris durch den türkischen Geheimdienst (MıT) ermordet.

Die Betrachtung von Gewalt gegen Frauen*körpern muss einen integralen Bestandteil feministischer und gesellschaftskritischer Analysen darstellen. Frauen* können niemals körperlos sein; ihre* Körper sind immer einer der Angriffspunkte des Patriarchats. Dies zeigt sich in solch drastischen Ausführungen in diesem Buch oder bei anderen Kriegsverbrechen – so ist die systematische Vergewaltigung von Frauen* Bestandteil der Ideologie vom Daesh – aber auch in Abtreibungsverboten, der Rape Culture oder der Debatte um das Burkini-Verbot. Die patriarchale Disziplinierung sowie die Schambehaftung von (Frauen*)körpern bedingen sich dabei gegenseitig.

Diese und andere Themen zu der Situation von Frauen* in türkischen Gefängnissen werden Bestandteil der Veranstaltung sein. Auch ohne die Biographie von Sakine Cansız (Sara) gelesen zu haben oder anderweitiger Vorkenntnisse, ist die Teilnahme an der Veranstaltung und der Diskussion möglich.

Details

Datum:
21. Februar 2017
Zeit:
18:00 - 20:00

Veranstaltungsort

Raum 003, Gebäude 3110 Mensa, Callinstraße 23

Veranstalter

Riot statt Rosen