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Die Logistik von Kapital und Arbeit
6. Juli 2017 @ 11:00 - 14:00
Weitgehend unbemerkt hat sich eine neue Zusammensetzung im Verhältnis von Arbeit und Kapital vollzogen, bewirkt durch die stumme Revolution in der Logistik.
In der Hochzeit der Industrialisierung schien der Widerspruch von Arbeit und Kapital noch die Form einer unmittelbaren Konfrontation anzunehmen: Einem Heer besitzloser Arbeitermassen schienen die Besitzer und Verwalter gewaltiger Industrieanlagen gegenüber zu stehen.
Heute, im Zeitalter digitaler Produktionsmittel und einer vereinfacht postfordistisch genannten Produktionsweise, nach dem Niedergang des Realsozialismus und nach 3 Jahrzehnten neoliberaler Flexibilisierung und Deregulierung von Arbeit und von Kapital, scheinen auch Arbeit und Kapital, zumindest in den klassischen Industrienationen, entsprechend digitale, post-fordistische, flexible und deregulierte Formen und Gestalten anzunehmen. Aufseiten des Kapitals haben wir es zunehmend mit Formen finanziellen Kapitals und seinen weltweiten Strömen zu tun, mit einem „digitalen“ und „kybernetischen Kapitalismus“, mit „Wissenskapitalismus“ etc. Und aufseiten der Arbeit gibt es eine Vervielfältigung von – vor allem prekären – Arbeitsverhältnissen und von möglichst flexiblen Formen der Anwendung und Ausbeutung der Ware Arbeitskraft. In den klassischen Industrienationen gibt es eine Spaltung in besser gestellter Kernbelegschaft einerseits und einem Heer Prekärer in und außerhalb der Betriebe andererseits, und dem entspricht im Weltmaßstab das Verhältnis von relativ stabilen Metropolen zu Millionen Arbeitsmigrant_innen und einer weltweiten „Surplus-Population“ oder einem „Surplus-Proleriat“.
Doch nicht nur diese Spaltung zeichnet das gegenwärtige Verhältnis von Arbeit und Kapital aus, sondern auch unterschiedliche und geradezu gegensätzliche Reproduktionsbedingungen. Während nämlich Kapital und Waren möglichst ungehindert global zirkulieren sollen, sind die Arbeitskräfte weiterhin nationalen (und zunehmend nationalistisch-protektionistischen) Reproduktionsbedingungen unterworfen, nach außen hin abgesichert durch Kontroll- und Migrationsregimen.
Gleichwohl bleibt das Verhältnis von Arbeit und Kapital dasselbe Verwertungs- und Ausbeutungsverhältnis wie eh und je, und diese Verwertung wird heute vor allem organisiert, vermittelt und zusammengehalten durch Logistik. Arbeit und Kapital sind verbunden durch die weltweiten Wertschöpfungsketten der Logistik.
Auch Logistik ist keineswegs neu. Sie hat vielmehr die kapitalistische Ökonomie, vor allem die kapitalistische Kriegsökonomie, von Beginn an begleitet. Gleichwohl wird von einer regelrechten „Revolution in der Logistik“ gesprochen, genauer, von einer „stillen Revolution“, die sich seit den 1960er Jahren vollzieht. Sie steigende Bedeutung der Logistik (vor allem durch globale Produktionsketten) hat zwar zu neuen Standards und Technologien geführt, gleichzeitig aber auch zu tayloristischen Arbeitsbedingungen, Arbeitsverdichtung, Dequalifikation, neuen Spaltungen der Belegschaften etc.
Wir wollen am Vorabend des G20 in Hamburg, dem „Tor zur Welt“, die Logistik sowohl aufseiten des Kapitals als auch aufseiten der Arbeit und der Arbeitskämpfe bestimmen. Was bedeuteten die Krise des Fordismus Ende der 1960er Jahre und die Revolution in der Logistik für Kapital und Arbeit? Welche Erfahrungen gibt es mit Kämpfen in der Logistik? Und wie kann der Kampf gegen die bestehende Logistik aussehen: Blockade und Unterbrechung? Oder Aneignung und Umfunktionierung? Oder geht es gar um den Aufbau einer alternativen, eigenen Logistik? Sind Unterbrechungen und Blockaden für das 21. Jahrhundert, was der Streik im 20. Jahrhundert war? Und sind Counterlogistics und soziale Infrastruktur die autonomen Freiräume des 21. Jahrhunderts?
Die Gruppe T.O.P. diskutiert mit
Ralf Ruckus von gongchao.org untersucht und unterstützt soziale Kämpfe u.a. in Osteuropa und Ostasien.
Moritz Altenried forscht u.a. zu Arbeit, Digitalisierung, Logistik