KONKRET: Ihr habt zusammen mit einem breiten Bündnis aus Gewerkschaften, Attac, der Interventionistischen Linken, der Linkspartei, Occupy-Gruppen und anderen zu »Blockupy« aufgerufen – heraus kam eine Demo mit 30.000 Leuten in Frankfurt und eine Vorführung effektiver Aufstandsbekämpfung durch die Polizei. Die Presse schrieb über »bunten Protest« gegen die »Macht der Banken« und das »Spardiktat«. War Blockupy ein Erfolg?
TOP Berlin: Wir messen Erfolg nicht an Einzelaktionen, sondern an politischen Perspektiven. Unser erster Anspruch ist, eine konsequent antikapitalistische und antinationale Kritik wahrnehmbar zu machen, als selbstverständlichen Teil der Krisenproteste. Das hat ganz gut funktioniert. Unser zweiter Anspruch ist, die nationale Beschränktheit der Krisenproteste zu überwinden. Das ist ein Prozeß, momentan eher eine Idee, für die wir und andere gerade Strukturen und Aktionsformen entwickeln. Aber auch hier sind wir durch Blockupy weitergekommen, wie auch schon durch »M31«, den »European Day of Action against Capitalism« am 31. März. Da gab es Demos und Kundgebungen in über 40 Städten, und wir haben viele Kontakte geknüpft. Insgesamt kämpfen wir natürlich gegen die Schwerkraft staatsbürgerlicher Ideologien an, gegen Sehnsüchte nach einem politisch gezähmten, fürsorglichen Kapitalismus, der gleichzeitig auch noch unglaublich wettbewerbsfähig sein soll. Solche Schutzreflexe sind nicht überraschend, wenn man sich die Lage in Griechenland oder Spanien ansieht. Es mangelt eben an greifbaren antikapitalistischen Alternativen. Aber die fallen nicht vom Himmel, sie entstehen im politischen Prozeß.
Was war der Sinn des Vorhabens, die Europäische Zentralbank zu blockieren?
Die EU-Staaten haben mit der EZB ein Instrument geschaffen, das ihre Konkurrenz untereinander regeln und die gesamteuropäischen Renditen sichern soll. Offiziell wird die EZB als depolitisierte Aufsicht der Geldwertstabilität dargestellt. Doch gerade durch diese währungspolitische Vorentscheidung verkörpert sie eine Politik, die die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Kapitalismus auf Kosten von Lohnabhängigen und Erwerbslosen zu sichern versucht. Die EZB hat aber nicht nur allgemeine währungspolitische Kompetenzen. Über die Konstruktion der EU-Rettungspakete und Krisenfonds ist sie inzwischen direkt an der Durchsetzung der europäischen Austeritätspolitik beteiligt, als Teil der »Troika« mit EU- Kommission und IWF. In den angeschlagenen Staaten ist die EZB derzeit die eiserne Faust des Kapitalismus. Da ist so eine Blockade natürlich nur ein symbolischer Akt. Aber Symbolpolitik ist gerade jetzt nicht zu unterschätzen. Sie entscheidet mit darüber, ob Leute sich zu einer Kritik ums Ganze aufraffen, oder ob Deutschland weiter den europäischen Zuchtmeister geben kann. Natürlich ist eine EZB-Blockade nicht der Weisheit letzter Schluß. Deshalb hat sich umsGanze! vor allem auf grundsätzliche Kapitalismuskritik konzentriert.
Die Occupy-Bewegung fiel immer wieder auch dadurch auf, daß sie antisemitische Ressentiments bediente. Gab es auch bei Blockupy solche Tendenzen?
Klar gab es auf der Blockupy-Demo strukturell antisemitische Kritik an »Bankern und Bonzen «, an vermeintlichen »Finanzoligarchen« und am Zins. Ein paar Idioten haben sich mit Edding Boykottaufrufe gegen Israel auf den Bauch gemalt. Aber solche Positionen haben gerade nicht die Demo insgesamt geprägt. Der Fokus lag auf neoliberaler Krisenpolitik, auf den Austeritätsprogrammen, es ging um Solidarität statt Standortkonkurrenz. Nach dem ursprünglichen Konzept sollten ja nicht nur Banken lahmgelegt werden, sondern zum Beispiel auch Jobcenter und die Ausländerbehörde. Und noch mal: Es ist selbstgefällig und apolitisch, alle Bankenkritiker/innen als unbelehrbare Antisemitinnen und Antisemiten zu beschimpfen und ihnen das Feld zu überlassen.