Interview mit der Autonomen Antifa Wien zum WKR-Ball

I. Hallo liebe autonome antifa wien.

Kai: Hallo!
Maggy: Hey!

II. Vorweg, erzählt doch erst mal etwas über eure Gruppe! Wer seid ihr, was sind eure politischen Schwerpunkte und warum ist gerade der WKR Ball so ein zentrales Thema von euch?

Maggy: Wir haben uns im Herbst 2009 gegründet. Unsere Arbeitsschwerpunkte sind vor allem gegen ideologische Verwirrungen von Staat und Nation gerichtet und weiter der Kampf gegen Kapitalismus und rechte Tendenzen. Unser erstes großes Projekt war die Mitorganisierung der Proteste gegen den WKR Ball 2010, seitdem mobilisieren wir jedes Jahr dagegen – immer unter einem anderen inhaltlichen Schwerpunkt. (u.a. genauer nachzulesen in unserem Thesenpapier in unserem Online-Archiv auf antifaw.blogsport.de).

II.I – Könnt ihr kurz erklären was eigentlich dieser WKR Ball genau ist und wer dort so zu finden ist?

Kai: Im Wiener Korporationsring sind mehr als 20 Studentenverbindungen aktiv. Diese bewegen sich in einem politischen Spektrum von national-freiheitlich über völkisch-deutschnational bis offen neonazistisch. Laut Selbstbezeichnung ist der Ball das größte couleur-studentische Event im deutschsprachigen Raum. Er fungiert als Bindeglied zwischen Neonazis und der bürgerlichen Rechten in Österreich, und stellt darüber hinaus die größte Vernetzungsplattform der europäischen Rechten dar. Ein Beleg dafür sind vor allem Gäste der rechtspopulistischen Parteien Vlaams Belang aus Belgien oder der Front National aus Frankreich. Auch viele deutsche Gäste, besonders aus den Reihen der NPD oder Pro Köln, geben sich auf dem Ball die Ehre.

Maggy: Für die radikale Linke ist der WKR Ball seit 2009 das wichtigste Ereignis in Österreich. Das liegt unter anderem daran, dass – anders als in Deutschland – Burschenschafter nicht am Rande der Gesellschaft stehen, sondern entscheidende Positionen in Gesellschaft und Politik beziehen und ideologischer Think Tank der FPÖ sind. (Anmk. d. Red.: Freiheitliche Partei Österreich, rechtspopulistische Partei in Österreich)

III. Von welchen Positionen sprecht ihr denn genau?

Maggy: Das skandalöseste Beispiel ist wohl, dass der dritte Nationalratspräsident (in Deutschland mit dem Bundestagspräsidenten vergleichbar) Martin Graf (FPÖ), ‚Alter Herr‘ der neonazistischen Burschenschaft Olympia ist und diese immer aktiv unterstützt, und sich in dieser Position auch vehement für den WKR Ball einsetzt.

IV. Die FPÖ scheint ja ein großer Player in Österreich zu sein – könnt ihr das kurz weiter ausführen?

Kai: Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg wurde als Sammelbecken alter FaschistInnen erstmals der ‚Verband der Unabhängigen‘ gegründet. Dieser nannte sich direkt nach dem Ende der alliierten Besatzung in „Freiheitliche Partei Österreichs“ um, blieb aber anfangs wegen ausschließlich deutschnationaler Ambitionen bedeutungslos. In den 90er Jahren setzte sich dann innerhalb der FPÖ, unter anderem durch Jörg Haider, ein turn zu österreichischem Nationalismus durch. Damit begann der Erfolgskurs der FPÖ – sie mauserten sich von einer kleinen Randpartei über Stichwortgeber in gesellschaftlichen Debatten, zur aktuell – in Umfragen mit knapp 30% – zweitstärksten Partei in Österreich.

Maggy: Die FPÖ war mit Anfang der 2000er Jahre unter Jörg Haider auch an der Regierung in Österreich beteiligt (Koalition zwischen ÖVP & FPÖ) – woraufhin sogar die Europäische Union Sanktionen aussprach.

V. Könnt ihr kurz erläutern wie die Dominanz einer offen rechten Partei die Gesellschaft in Österreich beeinflusst?

Maggy: Da die FPÖ als Sammelbecken für Rechte aller Art dient, ist die organisierte Neonaziszene in Österreich fast verschwunden und innerhalb der Partei aufgegangen. So muss man sich in Wien zwar nicht mit Nazis herumschlagen, dafür aber mit einer rechten Alltagskultur die sich in Hetze gegenüber MigrantInnen und sozial Benachteiligten übersetzt.

Kai: Auch ist zu beobachten, dass viele anderen Parteien sich zwar oberflächlich gegenüber der FPÖ abgrenzen, aber aufgrund der rechten Wahlerfolge große Teile deren Programmes, wie z.B. restriktive Einwanderungspolitik oder einen harten Law & Order Kurs, mit in ihr Programm aufnehmen um die gesellschaftliche Stimmung abzufangen.

IV. Zurück zum WKR Ball – Wie ist denn die aktuelle Situation?

Maggy: Vorweg ist zu sagen, dass dieses Jahr der WKR Ball auf den Tag der Auschwitzbefreiung fällt – was in Österreich zu Recht für viel Wirbel gesorgt hat. Nachdem die Proteste seit 2009 die öffentliche Aufmerksamkeit erregt haben, war es mit dem speziellen Datum dieses Jahr besonders ein Thema – und das schon sehr früh. Schon vor bzw. während der Sommermonate haben sich zum ersten Mal ein zivilgesellschaftliches Bündnis sowie ein uni-linkes Bündnis gegen den WKR Ball gegründet. Durch den öffentlichen Druck der dann auf die BetreiberInnen der Hofburg ausgeübt wurde, haben diese sich dazu entschlossen den WKR Ball ab 2013 nicht mehr in ihren Räumlichkeiten stattfinden zu lassen. Für uns ist das definitiv ein Resultat jahrelanger linksradikaler Arbeit gegen dieses Event – und ein Teilerfolg den die radikale Linke, und auch wir, erzielen konnten.

Kai: Unser inhaltlicher Fokus dieses Mal ist die Ideologiekritik der (linken) Gedenkpolitik. Daran arbeiten wir gerade intensiv, und werden neben unserem Aufruf einen Beitrag in der Broschüre der Gruppe D-Day zum Thema veröffentlichen. Mehr dazu findet ihr dann auf unserer Homepage, wo all unsere Publikationen einsehbar sind.

V. Let’s get practical – Was ist denn für den Tag in Wien geplant und wo sollten sich aktive Antifas einreihen?

Kai: Wir haben uns im österreichischen antifanet.at Bündnis mit anderen Antifa-Gruppen organisiert, um eine koordinierte Zusammenarbeit der autonomen Strukturen zu gewährleisten und eine gemeinsame linksradikale Mobilisierung gegen den WKR Ball auf die Beine zu stellen.

Maggy: Es gibt zwei angemeldete Versammlungen: Die Kundgebung des zivilgesellschaftlichen Bündnisses wird am Vormittag des 27. Januars auf dem Heldenplatz vor der Hofburg stattfinden. Desweiteren soll es eine linksradikale Demo gegen den WKR Ball geben – wobei zu sagen ist, dass die österreichischen Behörden dem gegenüber die letzten Jahre sehr restriktiv waren. So wurden die Demos in den Jahren 2010 und 2011 immer verboten, und wir mussten auf dezentrale Konzepte umsteigen, die Großteils auch relativ gut funktioniert und Erfolg hatten. Natürlich gehen wir momentan noch davon aus, dass wir laufen werden; mit Verbotsdrohungen werden wir dieses Jahr noch kreativer umgehen können und der Polizei sicher keinen langweiligen Abend bereiten. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigt jedoch deutlich, dass sich viele Detailfragen erst in den letzten Wochen klären lassen. Darin haben wir aber schon viel Erfahrung, und sind daher auf diverse Eventualitäten gut vorbereitet.

Kai: So ist es bei der Anreise gerade aus Deutschland auch extrem wichtig auf aktuelle Infos zu achten und sich in Bezugsgruppen handlungsfähig zu organisieren. Wir haben auch auf unserer Seite extra Rechtshilfetipps für Österreich, die ihr beachten solltet (die Rechtslage ist ungleich zu Deutschland!). Generell ist zu sagen, dass die Bullen in Österreich deutlich unkoordinierter sind als in Deutschland – was oftmals bei Großlagen zu unüberlegten Handlungen führt. Es herrscht oft eher Chaos als geordnetes Vorgehen, was einerseits Raum für Aktion andererseits aber auch für den Polizeiknüppel lässt. Ein großer Vorteil gegenüber Deutschland ist, dass Schutzkleidung erlaubt ist.

VI. Wir mobilisieren ja auch zusammen mit euch im …umsGanze! Bündnis zu den WKR Protesten, was im besten Fall auch viele GenossInnen aus der BRD dorthin bringen wird. So wird es mehrere Busse aus u.a. Berlin & Frankfurt geben. Was war für euch der ausschlaggebende Grund  …umsGanze! mit ins Boot zu holen?

Kai: Wir sind ja seit fast genau einem Jahr Bündnisgruppe bei uG, und genießen dort eine gewisse Sonderrolle. Viele Proteste – gerade im Bezug auf Nationalfeierlichkeiten – lassen sich nicht 1:1 auf Österreich übertragen, und so war es von Anfang an unser Anspruch für …umsGanze eine europäische Dimension herauszuarbeiten die beim WKR Ball zum Tragen kommt. Aber auch bei den Planungen zum europaweiten Aktionstag im März wollen wir nicht einfach nur nach Deutschland zu den Aktionen fahren, sondern eigene Akzente setzen und Aktionen in Österreich organisieren.

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