Rechtspop und Sündenbock

Rechtspop und Sündenbock – Warum die Feinde meiner Feinde nicht meine Freunde sind…

Auf geht’s, ab geht’s, drei Tage Krach…..

Vom 19. bis 21. September wollen in Köln RechtspopulistInnen, PostfaschistInnen, Konservative und andere unangenehme ZeitgenossInnen aus ganz Europa auf einer „Anti-Islamisierungs-Konferenz“ im Namen der sogenannten westlichen Werte ihrem Rassismus freien Lauf lassen und die gesellschaftliche Diskriminierung von Muslimen, Muslimas und allen, die dafür gehalten werden, vorantreiben.

15 Jahre nach der faktischen Abschaffung des Asylrechts hat das Feindbild „Moslem“ nun den Stereotyp „Asylant“ als Projektionsfläche für den rassistischen Hass auf alles Nicht-Deutsche bzw. Nicht-Europäische abgelöst. Kampagnen und Demonstrationen gegen geplante Moscheen werden von den Nazis der Straße ebenso wie von bürgerlichen VorortfaschistInnen wie „Pro Köln“ – die an der Organisation des Kongresses maßgeblich beteiligt sind – genutzt, um an die fremdenfeindlichen Einstellungen in der Bevölkerung anzuknüpfen. Die teilnehmenden Gruppen und RednerInnen des Kongresses lesen sich wie das Who-is-Who der europäischen Neuen Rechten: von Faschisten und Antisemiten wie dem Vorsitzenden der französischen Front National Jean-Marie Le Pen über Rassisten wie Mario Borghezio der italienischen Lega Nord (u.a. verurteilt wegen des Anzündens von Zelten, in denen obdachlose MigrantInnen unter einer Brücke in Turin schliefen) bis hin zu Rechtskonservativen wie dem deutschen Bundestagsabgeordneten Henry Nietzsche (ehemals CDU, nun parteilos), der gerne mal die Regierung als „Multikultischwuchteln in Berlin“ bezeichnet. Auch die Freiheitlichen aus Südtirol, die British National Party (BNP) aus England sowie extreme Rechte aus dem ehemaligen Jugoslawien, Ungarn usw. werden mit dabei sein. Es ist klar, dass es dort nicht darum gehen wird, Islamismus als gefährliche politische Bewegung zu kritisieren, sondern durch rassistische Schuldzuschreibungen Stimmen in der Bevölkerung zu gewinnen.

Ein breites Bündnis sozialer, linker und antifaschistischer Gruppen – darunter auch das „…ums Ganze!“-Bündnis und die beiden darin organisierten Göttinger Gruppen Redical M und Gruppe Gegenstrom – ruft zur Antifa-Demo am Vorabend und zur Blockade des Tagungsortes auf. Bei der Demonstration geht es uns nicht nur darum, den reaktionären Ideologien eine Absage zu erteilen, sondern das ganz Andere einzufordern: Ein gutes Leben für alle und eine Welt ohne Unterdrückung. Im Kapitalismus ist dies nicht möglich.

Culture Beat? – not my rythm

Für die Linke muss es darum gehen, rückwärtsgewandte Ideologien wie den Rassismus anzugreifen und der anti-muslimischen Stimmungsmache entgegenzutreten. Gleichzeitig darf sie nicht in die kulturrelativistischen Tiefen der Multikulturalismus-FreundInnen und anderer Gutmenschen abrutschen, die im Namen „kultureller Unterschiede und Traditionen“ repressive Praxen und Unterdrückung akzeptieren oder rechtfertigen. Die Verneinung der Legitimität und Notwendigkeit der Kritik diskriminierender Praxen, aus Sorge rassistischen Zuschreibungen Vorschub zu leisten, spricht den Betroffenen die Möglichkeit ab, für ihre Befreiung zu kämpfen. Zudem werden dabei die Individuen ihrer Ethnizität bzw. Kultur unterworfen und ihre persönlichen sowie die gesellschaftlichen Verhältnisse werden naturalisierend – also unveränderlich – auf diese ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit reduziert. Die Zuschreibung bestimmter Denkweisen, Verhaltensmuster und Eigenschaften aufgrund kultureller Herkunft ist – nicht nur durch ihre argumentative Nähe und Vermischung mit dem mittlerweile von Rechten vertretenen Konzept des Ethnopluralismus (für kulturelle Vielfalt und daher gegen „Vermischung“ der Kulturen – also „jedem Volk sein Land“) – an sich abzulehnen. Die Ablösung des mittlerweile verpönten biologischen Rassismus durch den kulturellen Rassismus führte dazu, dass RassistInnen und traditionelle Anti-RassistInnen argumentativ in ähnlich trüben Gewässern fischen. Nur dass die Einen „fremde Kulturen“ als Bereicherung, die Anderen sie als Bedrohung der „nationalen Kultur“ ansehen. Individuen und ihre Bedürfnisse werden in diesem Fall von beiden Seiten ignoriert, der Mensch zählt nur als Teil des kulturellen, nationalen oder religiösen Kollektivs. Wirksamer Anti-Rassismus muss daher auch das herkömmliche Konzept von Kultur kritisieren und dekonstruieren.

 

Wir wollen es uns nicht zu einfach machen, laut „Islamophobie“ rufen und die Existenz einer islamistischen Ideologie ignorieren, unter der tagtäglich Menschen zu leiden haben. Und die nach dem Willen vieler überzeugter Islamisten global ausgebreitet werden soll. Islamismus muss als globale reaktionäre Bewegung begriffen werden, die jeglichem Verständnis von Freiheit entgegensteht. Und vor allem muss sie als politische Bewegung begriffen werden, und nicht als bloßer religiöser Fanatismus. Im Islamismus findet eine Politisierung der Religion statt: Religiöse Regeln werden zur Sicherung und Herstellung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen politisch instrumentalisiert, mit dem Ziel eine totalitäre Gesellschaftsordnung einzurichten. In jeder Religion sind solche Bewegungen zu finden, auch wenn sie im Islam derzeit sicher am stärksten präsent ist. Wenn das religiöse Normen- und Wertesystem als einzig gültiges aufgefasst und die Gesellschaft danach eingerichtet werden soll, wird es gefährlich. Durch die Differenzierung von Religion und politischer Bewegung ist es dann auch möglich Islamismus zu kritisieren, ohne an die anti-muslimische Stimmung anzuknüpfen.

Ol´ Dirty Europe

Jedoch darf die Antwort auf reaktionäre politisch-religiöse Bewegungen wie den Islamismus nicht die Beschwörung der „christlich-westlichen Werte“ oder des „good old europe“ sein. Die allumfassende kapitalistische Gesellschaftsstruktur und die damit verbundenen Zurichtungen des Lebens hindern nämlich auch hier – wenn auch mit großen qualitativen und quantitativen Unterschieden – die Menschen daran, wirklich frei zu sein. Die Abschaffung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse und die Dekonstruktion der Herrschaftsverhältnisse – auf der Strasse wie in den Köpfen – muss Ziel der Linken sein und bleiben. Die Erkenntnis, dass die bürgerlichen Versprechen von Glück und Freiheit eine Farce sind und wir uns durch unseren fortwährenden Glauben daran dass Leben selber zur Hölle machen, muss Grundlage linker Kritik sein. Doch ist die Unfreiheit und der Zwang, unter dem wir leiden, ein gänzlich anderer als die Angst von Frauen und Homosexuellen in islamistischen Ländern oder die Unmöglichkeit, sich dort einfach mal gepflegt volllaufen zu lassen. Gewisse durch die Aufklärung entstandene allgemein gültige Rechte – trotz aller notwendiger Kritik daran – sind ein Fortschritt gegenüber vielen islamistischen oder anderen totalitären Regimen. Die Einforderung bürgerlicher Rechte dient dabei dem Ziel, Bedingungen zu schaffen werden, in dem emanzipatorische Bewegungen Handlungsspielräume bekommen. Dabei vergessen wir weder die Kritik am Staat und seinem „Recht“, noch dass in Europa Menschenrechte und bürgerliche „Freiheit“ längst nicht für alle gelten. Die Verfolgung von Roma und Sinti in Italien, deutsche Flüchtlingslager, die täglichen Toten an der Südgrenze Europas, Überwachungsgesetze, gerichtliche Verbote von Streiks…..diese Liste könnte endlos weitergeführt werden. Und in Köln treffen sich genau diejenigen, die diese repressive Flüchtlingspolitik und autoritäre Formierung der Gesellschaft vorantreiben wollen oder es bereits tun.

Im Gegensatz zum NPD-Wanderzirkus haben die dort anwesenden Parteien und ihre Vertreter und wenigen Vertreterinnen ernsthafte Chancen, große Zustimmung in der Bevölkerung zu bekommen oder bestimmen wie in Italien und Österreich bereits die Politik. Daher ist es wichtig, das Phänomen Rechtspopulismus zu verstehen und vor allem diesem rechten Pack deutlich zu zeigen, dass sie ebenso unerwünscht sind wie Kameradschaftsnazis.

I know what i want…

Im Vorfeld des rassistischen Kongresses wollen wir anhand einiger Veranstaltungen Themen, die mit dem Kongress zusammenhängen, aus linker Perspektive diskutieren. So wird es in einer Veranstaltung um die europäische Vernetzung der Rechten, die Erfolge rechtspopulistischer Parteien und über ihre Ideologie gehen. Außerdem wollen wir uns von linker Seite aus dem dem Thema „Islamismuskritik“ nähern. Das bedeutet, das komplexe Phänomen Islamismus aus emanzipatorischer Perspektive betrachten und eine Kritik daran entwickeln. Aber eben eine Kritik, die sich auch gegen rassistische und chauvinistische Einstellungen richtet, ohne den totalitären Charakter des Islamismus und seine Existenz zu negieren. Die gegen die Diskriminierung muslimischer Menschen gerichtet ist, ohne die Religionskritik aufzugeben. Die aufzeigt, dass islamistische antihegemoniale Bewegungen nichts mit linkem antikapitalistischen Widerstand gemeinsam haben, sondern diesem entgegenstehen. Daher wollen wir neben einer allgemeineren Einführung in den Islamismus auch die Bedeutung des Antisemitismus hervorheben und den regressiven antikapitalistischen Charakter der Bewegung untersuchen. Wie überall spielt der Kapitalismus und seine Entwicklung auch beim Islamismus eine entscheidende Rolle. Ein Grund mehr ihn abzuschaffen.

…and i want it now!

Es geht uns darum, Islamismus als rechtsextreme Bewegung – unabhängig von kulturellen und rassistischen Zuschreibungen – zu erkennen und zu bekämpfen, ohne dabei das Bild vom fanatischen bärtigen Mob, der Frauen steinigt und Märtyrer beweint, zu bedienen. Und wir wollen verdeutlichen, dass die RassistInnen, die sich in Köln treffen wollen, in Bezug auf Sexismus, Antisemitismus und autoritärem Gedankengut vielen IslamistInnen in nichts nachstehen. Die teilweise – wenn auch logischerweise schwierige – Zusammenarbeit von deutschen Rechtsextremen und islamistischen Gruppen ist ein Beispiel dafür. Daher ist auch das Motto der Vorabend-Demo in Köln – „Rassismus, Islamismus, Nationalismus und Kapitalismus bekämpfen!“ – für uns kein leerer Slogan oder gar Widerspruch, sondern die logische Verknüpfung des Kampfes gegen reaktionäre und diskriminierende Bewegungen und für die Einrichtung einer Welt, in der man ohne Angst verschieden sein kann. „Pro Köln“ und Freunde stehen dem ebenso wie die Hamas und das iranische Regime entgegen.

Gruppe Gegenstrom / Redical M im August 2008