Interview mit 2 AktivistInnen der autonomen antifa [f], die vom 7.-9. Dezember als Teil des linksradikalen Umsganze-Bündnis, den Kongress „No way out? Von Wertkritik bis (Post-)Operaismus“ in Frankfurt/M. mitorganisiert.
„Wir suchen nach dem Ausweg“
F: Ihr organisiert als Teil des „Umsganze-Bündnis“ den Kongress „No way out? Von (Post-)Operaismus bis Werkritik“ in Frankfurt mit. Könnt ihr mal für Leute, die nicht im 6. Semester Politik studieren, erklären was sich hinter diesem doch etwas kryptischen Titel verbirgt?
A2: Gerne, aber dafür müssen wir ein wenig ausholen. Wir haben ja als Umsganze-Bündnis bereits zu den Aktionen anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm mobilisiert und uns im Vorfeld in die linke Diskussion eingeschaltet. Und wir denken, dass diese Diskussion wieder mal deutlich gezeigt hat, dass selbst die radikale Linke hierzulande – also der Teil der Linken, der sich nicht mehr die Fragestellt ob, sondern nur noch wie der Kapitalismus abzuschaffen ist – daran leidet, dass über eine grundlegende Analyse der bestehenden Gesellschaft kaum diskutiert wird. Das hat zu einer ziemlich unproduktiven Spaltung geführt, in der mehr über als miteinander geredet wird. Wir finden das langweilig. Der Kampf gegen Pappkameraden bringt ja niemandem etwas. Der Kongress soll daher ein Versuch sein, in der radikalen Linken jenseits von Phrasen und Allgemeinplätzen wieder eine Diskussion darüber in Gang zu bringen, was die Gesellschaft im Moment eigentlich ausmacht, wie sie funktioniert und wie sie sich vielleicht in Zukunft entwickelt. Wir denken, dass das eine Vorraussetzung dafür ist, irgendwann mal wieder einen Ausweg aus dem Bestehenden in Richtung Kommunismus finden zu können, bzw. eine zukünftige Praxis der radikalen Linken finden.
F: Schön – aber was hat das mit „(Post)-Operaismus und Wertkritik“ zu tun? Und reproduziert ihr mit dieser Fixierung auf gewisse Strömungen innerhalb der marxschen Theorie nicht selbst die „unproduktive Spaltung“ in der innerlinken Diskussion, die ihr gerade kritisiert habt?
A1: Nein, ich denke nicht. (Post-)Operaismus und Wertkritik sind nur zwei relativ gegensätzliche Pole, die unserer Meinung nach bestimmte Fragestellungen und Probleme gut markieren die in der linksradikalen Debatte der letzten Jahre schon eine Rolle gespielt haben. Zu und mit diesen Fragestellungen wollen wir aber auch eine ganze Reihe anderer Strömungen und Ansätze, wie z.B. Hegemonietheorie oder die Kritik der politischen Ökonomie, beim Kongress in Diskussion bringen. Und selbst innerhalb der verschiedenen Strömungen gibt es schließlich keine total „einheitlichen Lager“.
Der Bezug auf viele unterschiedliche Ansätze spiegelt sich ja mit Leuten wie u.a. Sonja Buckel, Michael Heinrich, Nadja Rakowitz, Gerhart Hanloser und Friedrich Otto Wolf auch im Kongress-Programm wieder. Insofern ist es schon ein wichtiger Punkt, dass der Name eben „(Post-)Operaismus BIS Wertkritik“ lautet. Es ging uns darum ein wenig das Feld der Auseinandersetzung zu umreißen.
A2: Der Titel hat auch was mit der Arbeitsweise in der Vorbereitung zu tun. Da der Kongress maßgeblich von politischen Gruppen vorbereitet wird, ist das ganze kein abgeschlossenes Konzept, sondern ein ständiges „work in progress“. Das Programm wird in diesem Sinne ständig überarbeitet und ergänzt. Insofern sind wir natürlich auch selber ein wenig gespannt, was am Ende rauskommt. Dafür stellt die maßgebliche Beteiligung linksradikaler Gruppen hoffentlich aber auch sicher, dass der Bezug zur Praxis nicht ganz verloren geht. Auch wenn das sicherlich kein weiterer Antifa-Kongress werden wird…
F: Könnt ihr ein Beispiel für die angesprochenen Fragestellungen geben?
A1: Ja, einmal sollen Grundkategorien der Gesellschaft, wie z.B. „Arbeit“ oder „Klasse“, diskutiert werden. Das sind Kategorien zu denen es ja teilweise sehr unterschiedliche Einschätzungen gibt, die wir für das Verständnis gesellschaftlicher Prozesse schon für wichtig halten. Und zum anderen gibt es gewisse Themen, die wohl in der einen oder anderen Art und Weise immer wieder auftauchen werden. Beispielsweise die Frage nach der Vermittlung von Struktur und Handlung: Also; jagen die Klassenkämpfe das Kapital um die Welt? Oder ist es der sich selbstverwertende Wert und dessen tendenzielles Abschmelzen, dass die Menschheit in Atem hält? Oder beides? Oder wie jetzt?!
F: Okay. Und wie soll das dann genau aussehen? Sagt mal was zur Vorgehensweise beim Kongress.
A2: Klar ist, dass wir keinen Kongress nur für Theoriecracks machen wollen. Vielmehr ist die Planung so, dass auch Leute, die sich noch nicht so viel mit den unterschiedlichen Strömungen beschäftigt haben, teilnehmen können. Außerdem soll die gesellschaftliche Praxis immer mitgedacht und nach Möglichkeiten an Beispielen illustriert werden. Grundsätzlich haben wir uns also die Aufgabe gestellt verständlich zu sein ohne das Niveau zu senken. Theorie und Praxis lassen sich schließlich nicht von einander trennen.
Die grobe Planung ist nun jedenfalls: Am Freitag gibt es Einführungen in die Kritik der politischen Ökonomie, sowie in Wertkritik und (Post-)Operaismus, Am Samstag sollen dann die bereits erwähnten Grundkategorien, wie Krise, Staat, Arbeit, etc. aus den unterschiedlichen Perspektive diskutiert werden. Und am Sonntag gibt es dann Workshops, z.B. mit Ingo Elbe (Rote Ruhr Uni) und Jens Wissel (Uni Frankfurt), sowie große Diskussionen – u.a. mit Vertretern der Interventionistischen Linken, von Umsganze und sogar Attac – darüber, was das alles nun für eine antagonistische Bewegung bedeuten könnte.
A1: Und nicht zu vergessen natürlich, die obligatorische Kongress-Party am Samstagabend… Mehr Infos gibt es auf jeden Fall auf der Kongress-Sonderseite im Internet.
F: Wenn man sich den Plan bisher angeschaut hat, dann schien das alte Vorurteil über Antifa-Gruppen mal wieder bestätigt zu werden. Ist Feminismus und Geschlecht für euch etwa kein Thema – gerade wenn es ums Ganze geht
A1: Doch, auf jeden Fall. Wir fänden es aber falsch das als „extra Thema“ auszulagern und dann noch alibimässig hinten dran zu klatschen. „Geschlecht“ soll vielmehr in allen Veranstaltungen mitthematisiert werden. Wir setzen da neben der Moderation und den Referenten nicht zuletzt auch auf ein diskussionsfreudiges Publikum.
Aber grundsätzlich – da hast du recht – fehlt natürlich total viel. Von Ideologie bis Subjekttheorie gibt es eine gehörige Mängelliste, aber in drei Tagen ist einfach nicht alles, was notwendig wäre, zu machen. Da wir den Kongress aber auch nur als Teil eines Diskussionsprozesses begreifen muss das nicht allzu schlimm sein. Wenn es uns gelingt da eine vernünftige Diskussion in der radikalen Linken mit anzustoßen, dann hat es sich schon gelohnt
F: Und wie ist bisher so die Resonanz auf eure Initiative?
A1: Überraschend groß. Dass wir mit der Idee zu dem Kongress bei vielen offene Türen eingerannt haben zeigt, dass es auf jeden Fall ein Bedürfnis nach einem Prozess der inhaltlichen Debatte gibt.
Vernünftige Schätzungen der TeilnehmerInnenzahl sind ja immer sehr schwierig. Von daher nur soviel: die Pennplätze werden langsam knapp, es wäre also in jedem Fall gut, wenn sich die Leute vorher bei uns anmelden würden.
F: Apropos Prozess – wie soll es den eigentlich nach dem Kongress mit dem Umsganze-Bündnis weitergehen? Wars dass dann oder gibt es weitere Pläne?
A2: In der radikalen Linken weiß mensch natürlich nie, aber bisher ist der Plan auf jeden Fall weiterzumachen und eine gemeinsame Organisierung zu entwickeln. Der Kongress ist in diesem Sinne, wie gesagt, nur ein Teil der gemeinsamen Praxis, die ja die Frage nach der grundsätzlichen Überwindung des Bestehenden wieder neu auf die Tagesordnung setzen soll. Es bleibt also spannend.
F: Danke!
A1: Bitte!