Am 11. Juli 2014 sollte in Turin der EU-Gipfel zur Förderung der Jugendbeschäftigung stattfinden. Inzwischen ist er abgesagt – aus Angst vor Randale.
Im Rahmen der italienischen Ratspräsidentschaft hatten hochrangige Regierungsvertreter der EU geplant, über eine »Jugendgarantie« für arbeitslose Jugendliche zu verhandeln. Die geplanten Maßnahmen hätten zum Ziel gehabt, die durch Krise und Austeritätspolitik massiv gestiegene Jugendarbeitslosigkeit in Europa wegzuverwalten. Jugendliche sollten nach spätestens vier Monaten Erwerbslosigkeit in den Arbeitsmarkt vermittelt werden – vor allem in prekäre Jobs, schlechte Ausbildungen und unbezahlte Praktika. Die »Jugendgarantie« sollte die zynische Antwort der herrschenden Politik auf die Situation von knapp sechs Millionen jungen Erwerbslosen sein, die in Folge der gegenwärtigen Krise und der Austeritätspolitik in der EU insbesondere im Süden Europas arbeitslos geworden sind. Der Gipfel sollte damit signalisieren, dass die Krise vorüber ist und es auch bei der Jugendarbeitslosigkeit Fortschritte gibt. Auch hätten sich die europäischen Regierungschefs gern wohl als erfolgreiche Politiker des Nach-Krisen-Chaosmanagements gebrüstet. Und der italienischen Regierung unter Renzi wäre zudem ein solches Event als Krönung der EU-Ratspräsidentschaft gut zupass gekommen.
Seit der Bekanntgabe des Termin haben viele Gruppen und Organisationen in ganz Europa zu Protesten in Turin mobilisiert, so auch das …ums Ganze!-Bündnis. Die Proteste in Turin hätten das Ziel gehabt, das auf Dauer gestellte Austeritätsregime zu delegitimieren. Denn für die meisten Menschen ist die Krise noch lange nicht vorbei, sie ist vielmehr zu einer Krise in Permanenz geworden – da helfen weder die einfühlsamen Wirtschaftsreportagen der FAZ noch das Frisieren der Arbeitslosenzahlen durch EU-»Jugendgarantien«.
Das europaweite Zusammenspiel zahlreicher linker Gruppen und Strömungen, die nach Turin mobilisiert haben, hat die Situation für Polizei und Krisenakteure anscheinend so unkalkulierbar gemacht, dass die europäischen Regierungen die Veranstaltung jetzt kurzfristig abgesagt und auf den Herbst vertagt haben, mit noch ungenauem Datum und unbestimmtem Ort, möglicherweise wird es Turin, möglicherweise Brüssel. Für uns heißt das erstmal: Den geplanten Sommerurlaub absagen. Wer trotzdem Lust auf Campen, Diskutieren und Kiffen mit italienischen Genoss*innen hat, verbummelt das Wochenende nicht in Turin bei Pistazieneis, sondern auf offenen Versammlungen und Protesten im fünfzig Kilometer entfernten Val de Susa bei den Protesten gegen Prekarisierung und die aktuellen einschneidenden italienischen Gesetzesverschärfungen beim Recht auf Wohnraum. Für alle anderen: See you on the barricades! Bei antirassistischen Protesten nach der Räumung der Berliner Refugee-Schule, am 3. Oktober in Hannover (»Was ihr feiert: Armut, Ausgrenzung, Leistungszwang«, oct3.net) oder spätestens bei den Protesten gegen die Eröffnung der neuen Europäischen Zentralbank in Frankfurt.