Durch die Mobilisierungen von M31 und Blockupy im ersten Halbjahr dieses Jahres sind zwei Dinge deutlich geworden. Einerseits: Es ist möglich auch in einer der Schaltzentralen des europäischen Kapitalismus antikapitalistische Akzente zu setzen. Andererseits: Die radikale Linke ist bisher viel zu schwach um der europaweiten Verelendung im Namen „nationaler Wettbewerbsfähigkeit“ eine antikapitalistische Alternative entgegen zu setzen. Das liegt weniger an der Übermacht eines hochgerüsteten Polizeiapparates. Vielmehr hängt es daran, dass die Einbindung der meisten Menschen in die nationale Ideologie, dass „wir“ in den Stürmen der Weltmarktkonkurrenz doch irgendwie alle in einem Boot sitzen, nach wie vor bei vielen Menschen verfängt. Zudem steckt unter den falschen Verhältnissen auch ein Körnchen Wahrheit im nationalistischen Ressentiment: Verglichen mit den (gerade von den „soliden deutschen Unternehmen“) kaputt konkurrierten Ländern sieht es in Deutschland doch noch besser aus.
Auch wenn Staat und Kapital also längst transnational vernetzt sind – die Unterdrückten und Geknechteten aller Länder werden sich auf absehbare Zeit nicht einfach von selbst vereinen. Der kommende Aufstand lässt auf sich warten. Gleichzeitig ist die Stabilität des Bestehenden auch im Exportweltmeisterland nur auf Sand gebaut. Denn der Erfolg des Standortes Deutschland hat nicht nur das wachsende Elend in anderen Ländern zur Voraussetzungen. Er bedingt auch hierzulande die zunehmende Unterordnung aller Lebensbereiche unter die Zwänge von wirtschaftlicher Effizienz und staatlichem Kalkül: Zerstörung von Umwelt und Lebensqualität? Nebenkosten kapitalistischer Infrastrukturpolitik. Bildung? Mittel zum Zweck der lebenslangen „Employability“. Soziale Absicherung? Muss mensch sich gegen andere verdienen. Globales Reisen? Nur für Waren, nicht für Menschen. Wohnen in der Stadt? Wenn du es dir leisten kannst. Technischer Fortschritt? Macht nicht die Arbeit, sondern die Angestellten überflüssig. Schwimmbäder, Jugendzentren und Bibliotheken? Die Schuldenbremse kann leider nicht warten. Demokratie? Gerne, solange sie „marktkonform“ (Merkel) ist. Diese Liste wird sich also fortsetzen, wenn wir uns weiterhin von den Zwängen von Profitmaximierung, Verwertung und deren regelmäßigen Krisen herum schubsen lassen.
Das ist keine schöne Perspektive, doch genau hier könnte auch ein Ansatzpunkt liegen. Denn in den lokalen Kämpfen gegen diese Standortpolitik und für unsere gemeinsamen Bedürfnisse muss Antikapitalismus praktisch werden. Hier kann deutlich gemacht werden, dass die Sachzwänge des Kapitals keine Naturgesetze sind. Dadurch könnte die gesellschaftliche Isolation überwunden und so auch hierzulande die Grundlage für eine wirksame, grenzübergreifende Vernetzung gelegt werden. Dafür braucht es allerdings wahrnehmbare Kristallisationspunkte, an denen die verschiedenen Konflikte aus sozialen Zentren, Stadtteilen, Ämtern und Betrieben zusammengeführt werden können. Doch wie es der Zufall so will, bietet uns die List der kapitalistischen Unvernunft dazu mit der European Finance Week im November eine passende Gelegenheit. Bei dieser Konferenz wollen die Spitzen von deutschem Staat, EZB, EU und zahlreichen Finanzunternehmen in der „Global City Frankfurt“ die weitere Entwicklung der autoritären Krisenverwaltung diskutieren. Zwei Termine bieten sich dabei besonders für Gegenaktionen an: Zum einen das Frankfurter Immobilienforum in der IHK, bei dem offen darüber verhandelt wird, wie die Verwertung der Städte weiter voran getrieben werden kann. Zum anderen die große, öffentlichkeitswirksame Abschlussgala der Finance Week unter der Schirmherrschaft des deutschen Finanzminister und selbsternannten europäischen „Sparkommissars“ Wolfgang Schäuble in der Frankfurter Oper. Beide Veranstaltungen zeigen zwei Seiten derselben Medaille: Regionale Zurichtung für den Standort hier und internationale Krisenverwaltung dort. Währenddessen kündigt sich in Spanien, Portugal, Italien und Griechenland bereits die nächste Runde sozialer Aufstände an.Wir meinen: Diese Chance sollten wir nutzen. Nicht, weil damit gleich der nächste Großevent mit Erlebnisfaktor ins Haus steht – sondern um das einfache, das bekanntlich schwer zu machen ist, ein wenig wahrnehmbarer zu machen.Gegen die Lobbyisten des Bestehenden muss deutlich gemacht werden: Alternativlos ist nicht der Kapitalismus, sondern seine Überwindung. Dafür gilt es immer wieder dahin zu gehen, wo es Staat, Nation und Kapital weh tut . Und das heißt im November in Frankfurt: Die Inszenierung kapitalistischer Standortpolitik als lokal wie international alternativlose Normalität zu stören.
WARM UP FÜR EIN KÄMPFERISCHES 2013
DAS AUTORITÄRE KRISENREGIME DURCHBRECHEN!
13.10. – 15Uhr – Hauptbahnhof, Frankfurt/M – Demonstration
„Selbstorganisierte Zentren verteidigen – Soziales Wohnen möglich machen!“
20.10. – 14Uhr – Rossmarkt, Frankfurt/M – Veranstaltung
„Die Große Entwertung – warum Spekulation und Staatschulden nicht die Auslöser der Krise sind“ mit Buch-Autor Norbert Trenkle im Rahmen von Blockupy
8.11. – 20Uhr – DGB Jugendclub, Frankfurt/M – Veranstaltung
„Kapitalismus Kaputt? Ein Plädoyer, sich der Krisenoffensive des Kapitals entgegen und die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen“ mit Autor Tomasz Konicz (lunapark21, Krisis)
20.11. – IHK, Frankfurt/M – tba
Proteste gegen das Frankfurter Immobilienforum in der IHK Frankfurt „Wem gehört die Stadt?“
Infos: notroika.linksnavigator.de
23.11. – Frankfurt/M – tba
Antikapitalistische Demonstration anlässlich der Abschlussgala der European Finance Week in der Alten Oper Frankfurt „Die Krise heißt Kapitalismus“