Wir sind gekommen, um zu stören
Wenn am 24. Januar 2014 mit dem Wiener Korporations-, neuerdings Akademikerball, der gefühlte Geburtstag Kurt Waldheims und Jörg Haiders begangen wird, ist das nicht die harmlose Bergdeutschen-Variante des Kölner Karnevals, sondern das Schaulaufen der rechten Eliten Österreichs und Europas. Hier treffen Chauvinist*innen und Nationalist*innen aller Couleur zusammen: Korporationsstudenten und Politikerinnen, Professorinnen und Manager, Anwälte und Unternehmerinnen. Angemeldet von der Freiheitlichen Partei Östereichs (FPÖ) unterstreicht das fröhliche Gesellschaftsspiel in den imperialen Kulissen der Hofburg den Anspruch auf Führung und Gefolgschaft – zu Walzer und Polonaise, im Wichs und in Rüschen. Die von der Mensur entstellten Gesichter lassen erahnen, was der Restgesellschaft blüht, wenn die feschen Herren und Damen an Einfluss gewinnen. Nazis und Champagner? Gründe en masse, nach Wien zu fahren und die Party zu crashen!
Die falsche Antwort auf die falschen Verhältnisse
Was sich auf dem WKR-Ball, organisiert von den Burschenschaften des Wiener Korporationsrings, zusammenrottet ist die falsche Antwort auf die falschen Verhältnisse. Die falschen Verhältnisse, das sind die kapitalistischen. In der gegenwärtigen Krise bedeutet das: schlechtere Lebensbedingungen und alltägliche Not für viele, nicht nur in Griechenland. Die falsche Antwort lautet: Nationale Einpeitschung und höhere Zäune, verschärfter Wettbewerb und verschlechterte Arbeitsbedingungen, unverblümter Rassismus und immer nur noch mehr Gewalt, auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Doch die selbsternannten rechten Eliten, die den Ball besuchen, sind mit ihren Ideen nicht allein. Applaus erhalten sie von Menschen, die sich angesichts der Krise statt für Solidarität für die Politik der harten Hand entscheiden. In Zeiten von Angst und Verunsicherung sehnen sie sich nach Führung und der scheinbaren Übersichtlichkeit der Nationalstaaten, bescheidene Nestwärme inklusive. Angesichts des weltweiten Konkurrenzdrucks finden sie sich als Arbeitnehmer*innen bereitwillig mit den Arbeitgeber*innen ihres Landes in der »objektiven Schicksalsgemeinschaft« ein, die im Kampf mit anderen Nationen zu bestehen hat oder untergeht. Für den Standort und ein kleines Stück vom Kuchen schnallen sie den Gürtel enger und bestehen auf Leistungswahn und nationaler Zugehörigkeit. Als besonders fanatische Wohlstandschauvinist*innen erweisen sich dabei oft die bereits Abgehängten, die nur auf die gnädige Eingliederung in die Gemeinschaft hoffen können.
Nationalistisch sind nicht nur die Stammtischparolen, der Taumel beim Länderspiel, die Heimatliebe der Burschenschaftler oder der Fackelmarsch der Wutbürger*innen vorm örtlichen Asylbewerberheim. Sie sind vielmehr die augenfälligen und besonders widerwärtigen Zutaten eines umfassenden »nationalen Projekts«. Je nach politischer Großwetterlage hat dieses unterschiedliche Konjunkturen und Regierungen, mal christlich-konservativ, mal sozialdemokratisch. Ausgeliefert bleibt es jedoch stets auf Gedeih und Verderb der unverständlichen und chaotischen Ökonomie, deren Folgen es daher auf politischer Ebene einzuhegen und zu managen gilt. In der gegenwärtigen Krise erscheint vielen dabei offener Rassismus und Chauvismus als eine erfolgversprechende Option, um als nationale Leistungs- und Leidensgemeinschaft den Stürmen des Weltmarktes zu trotzen. Entlang von nationalstaatlichen und ethnisierten Grenzen wird entschieden, wer mitspielen darf und wie. Nach Außen legitimiert sich so eine mörderische Abschottung und nach Innen die gnadenlose Hierarchisierung und Disziplinierung. Falsch ist diese Antwort, weil sie die Krise des Kapitalismus nicht lösen kann – und dabei über Leichen geht.
Pack schlägt sich, Pack verträgt sich
Das irrige Versprechen einer nationalen Lösung der globalen Krise findet mehr und mehr Anhänger*innen: Der sogenannte Rechtspopulismus rückt derzeit politisch vom Rand in die Mitte. In Frankreich sehen Umfragen den extrem rechten Front National als stärkste Kraft. In Österreich hat jüngst ein Drittel der Wähler*innen Slogans wie »Liebe deine Nächsten – für mich sind das unsere Österreicher« (FPÖ) ihre Stimme gegeben. Und selbst in Deutschland, wo die CDU bislang noch immer den rechten Rand zu integrieren wusste, konnte sich die »Alternative für Deutschland« erfolgreich positionieren, wenn sie auch den Sprung in den Bundestag verfehlt hat. Für die 2014 im Mai anstehenden Europawahlen mit ihren traditionell geringen Wahlbeteiligungen steht ein rechter Erdrutschsieg durchaus zu befürchten. Und auf dem WKR-Ball im Januar treffen sich schon mal alle: In der Vergangenheit forderten sich hier Marine Le Pen (Front National aus Frankreich), Filip Dewinter (Vlaams Belang aus Belgien) oder Markus Beisicht (ProDeutschland) zum Tanz auf. Der Spitzenkandidat der FPÖ, Heinz-Christian Strache, ist sowieso vor Ort, denn die Wiener Landesgruppe der FPÖ meldet den Ball erneut an. Scheinbar paradox bereitet sich die nationale Erhebung so auf internationalem Parkett vor. Zwar ist der österreichische Patriotismus des Parteiobmanns Strache mit dem deutsch-völkischen Ansinnen vieler Burschenschaften nur bedingt vereinbar, und auch ansonsten dürften sich die politischen Gemeinsamkeiten zwischen den unterschiedlichen Nationalist*innen in Grenzen halten. Doch der WKR-Ball führt ein tragfähiges Arrangement vor, in dem neoliberale Standortpatrioten, völkische Freaks und Konservative aus ganz Europa sich ein Stelldichein geben. Wenn sie sich auch den Rest des Jahres im Namen der eigenen Nation untereinander befehden, so sind sich doch alle Teilnehmer*innen grundsätzlich darüber einig, dass es einer Hackordnung unter den Menschen und den Völkern bedarf, mit den Kulturvölkern Kontinentaleuropas an deren Spitze. Geht es am Ballabend vorgeblich gar nicht um Politik, ist das für die Teilnehmer*innen nur konsequent. Die feierliche Versicherung »abendländischer« Identität und Leitkultur ist für sie nichts Politisches, sondern etwas Vorpolitisches: Volk, Nation und Kultur sind ihnen keine geschichtlich entstandenen und von Menschen gemachten Gebilde, sondern von Natur oder Gott gegeben. Das Abfeiern der gemeinsamen abendländischen Identität hindert sie selbstredend nicht daran, durchaus handfeste politische Verabredungen anzubahnen, darunter die Bildung einer extrem rechten Fraktion im Europaparlament 2014. Der Bezug auf eine gemeinsame abendländische Kultur ist auch der Grund, warum der Übergang vom rechtskonservativem Abendland-und-Anstand-Gefasel zum Blut-und-Boden-Geraune an diesem Abend fließend ist, mit den studentischen Verbindungen und Burschenschaften als dessen Mittler. Der Ball führt dabei vor, wie rechte Parteien ihr Personal aus dem neonazistischen Milieu rekrutieren und es damit umgekehrt hoffähig machen. Dass Heinz-Christian Strache, der Nachfolger Haiders, selbst enge Kontakte in dieses Lager pflegte, ist da eine Information, die bei den Gästen der Hofburg wohl nur auf freundliche Indifferenz stoßen dürfte.
Die Opfer des kapitalistischen Normalvollzugs
Wie immer ist das Problem hausgemacht. Die neue Stärke der extremen Rechten in Europa ist auch ein Ergebnis der derzeitigen Krise und illustriert zugleich das Elend aller bürgerlichen Politik. Längst hat die Krise auch die Lebenswelten Österreichs und Deutschlands erreicht und das neoliberale Glücksversprechen auf Teilhabe durch mehr Leistung und Wettbewerb demoliert. Erneut setzten daher in den letzten Jahren große Teile der (nicht nur bürgerlichen) Linken auf Sozialstaatsnostalgie und Regulationsillusionen und erhofften deren Durchsetzung auf europäischer Ebene. Genau das Gegenteil ist eingetreten: Indem die Regierungen der reichen EU-Länder, darunter Deutschland und Österreich, viel Geld in die Hand nahmen, konnten sie die eigenen Wirtschaften vorübergehend vor dem Zusammenbruch bewahren. Zugleich setzten sie im Süden Europas einen brutalen Sparkurs durch, den sie zusammen mit den jeweiligen nationalen Oberschichten organisieren. Ein geeintes Europa bleibt jedoch für die exportstarken Nationen wie Deutschland und Österreich die Voraussetzung des eigenen wirtschaftlichen Wohlergehens. Da die Wettbewerbslogik des Kapitalismus den einzelnen Ländern nur wenig Spielraum lässt, sind die Politiker*innen aller Staaten und politischen Lager im Kampf um Anhängerschaft gezwungen, mittels nationaler Stimmungsmache und Ressentiments die eigene staatliche Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Die Folge ist ein widersprüchlicher Mix aus Ermächtigungsphantasien und Sachzwangargumenten, aus Nationalismen und Europatriotismus, der seit längerem die öffentlichen Debatten in Europa beherrscht. Es ist dieses Hintergrundrauschen des Nationalen, vor dem der populistische Angriff von Rechts auf über ein Fünfel aller Wähler*innenstimmen bei der Europawahl im Mai 2014 hoffen darf. Die von den rechten Parteien propagierte Rückkehr zum früheren Zustand der europäischen Staaten mit ihren einstigen nationalen Währungen, einem Europa der Restauration, ist für viele Wähler*innen zu einer erwägenswerten politischen Option geworden, auch wenn sie die Ohnmacht angesichts eines unbeherrschbaren globalen Kapitalismus nicht wird aufheben können. Dass sich die Bewohner*innen der europäischen Nationalstaaten in ihrer Klassenzugehörigkeit begegnen und so vielleicht ein gemeinsames, Grenzen überschreitendes, gar antikapitalistisches Interesse entdecken, wird allerdings unwahrscheinlicher, umso lauter die nationalen Töne werden.
Während die meisten, vor allem hiesigen Wähler*innen, im Wesentlichen eine ideelle Befriedigung aus dem »deutschsprechenden Europa« ziehen dürften, profitieren vorrangig Parteien wie die FPÖ, die Alternative für Deutschland oder der Front National von der Verunsicherung. Das Geschäft mit der Angst läuft blendend, und so treiben sie das Projekt einer hierarchischen und entsolidarisierten Gesellschaft voran, innerhalb wie außerhalb der Parlamente. Indem sie den Mittelschichtsspießer zur Essenz von Volk und Nation verklären, gleichzeitig aber den Untergang des Abendlandes an die Wand malen, bringen sie sich erfolgreich als aggressive Verteidiger der weiß-europäischen Mehrheitsgesellschaft in Stellung, als authentische Bewahrer von Nation, Familie und westlicher Leitkultur. Da sie die Krise des Kapitalismus nicht lösen können, verschieben sie das Problem auf den Nationen- und Kulturkampf. Nicht zufällig machen sie überall Feinde der männlich »abendländischen Lebensweise« aus, von der »Emanze« bis zum »Islam«, die angeblich die Leistungskraft der westlichen Gesellschaften untergraben. Ihr Programm ist das einer autoritär organisierten, kulturell zwangshomogenisierten Gesellschaft. Mehr noch, in den abgehalfterten Regimen von einst entdecken sie politische Gestaltungsvorschläge für das 21. Jahrhundert. Es sind diese sehr gegenwärtigen Konjunkturen reaktionärer Politikvorstellungen, die die Teilnehmer*innen auf dem WKR-Ball in den Kostümen von vorgestern ein Glanz-und-Gloria-Spektakel aufführen lässt. Die Werte einer längst untergegangenen und daher umso heroischer schillernden Epoche – Härte, Ehre, Stehvermögen – sind ihnen alles, das gemeinsame gute Leben jedoch nichts. So zerschlagen sich die Korporierten untereinander mit den Gesichtern zugleich die Individualität. Und da die christlichen Werte, die sie im Munde führen, spätestens im Wienerwald enden, gerät ihnen noch jeder Tote im Mittelmeer zur Bestätigung der eigenen Durchsetzungskraft und Herrlichkeit.
Männlichkeit as usual
Die selbsternannten rechten Eliten, die sich auf dem WKR-Ball abfeiern, haben kein Problem damit, dass der Kapitalismus für den überwiegenden Teil der Menschen die Hölle auf Erden ist. Im Gegenteil: Sie sind die erbarmungslosen Kolleginnen und Vorgesetzten, die neoliberalen Einpeitscher und knallharten Rationalisiererinnen. Doch auch Herrenmenschen wollen ab und an einmal als ganze Menschen anerkannt werden. Dazu halten sich die »Feschisten« ans Bewährte: die bürgerliche Kleinfamilie. Liebe, Tränen, Wut und was da noch bei den Herren an Sentiments ist, verbleibt im abgezirkelten Kreis der Liebsten. Sie verschanzen sich in der gesellschaftsabgewandten Gemeinschaftlichkeit romantischer Zweierbeziehungen, wo sie Erholung vom kapitalistischen Rattenrennen finden. Was unter den Bedingungen beständig zunehmenden Leistungs- und Optimierungsdrucks oftmals der letzte noch lebenswerte Zufluchtsort ist, bietet ihnen vor allem die Möglichkeit, den im täglichen Kampf lädierten Körperpanzer wiederherzustellen, um dann im Alltag – business as usal – nur noch härter zuzulangen. Diese jeden Tag aufs Neue gelebte Teilung der Welt in Öffentlich und Privat folgt dabei, wen wunderts, weiter den traditionellen Geschlechterrollen. Sie als naturgegeben darzustellen wird – ironisch genug – selbst zum politischen Projekt der extrem Rechten. Kein Wunder, dass die FPÖ offen den Schulterschluss mit Vaterrechtlern und »Maskulinisten« sucht. Für die WKR-Ball-Besucher sind Frauen daher trotz Galanterie und Türaufhalten keine eigenständigen Subjekte, sondern zuallererst Unterstützungsanhängsel und Verfügungsmasse der Männer. Wenn es nicht gerade darum geht, jene zusammen mit anderen Männern wahlweise gegen »den Islam« oder »den Feminismus« zu verteidigen, dann darum, ihnen den gesellschaftlichen, sprich: den häuslichen Platz zuzuweisen und sie aus Representationsgründen ab und an im Ballkleid und zu Wiener Walzer durch einen Festsaal zu schieben. Dass der WKR-Ball dieses überkommene Verhältnis von Männern und Frauen als glamouröses und nachahmenswertes Modell ausstellt, macht ihn auch auf dieser Ebene zu einer ideologischen Angelegenheit. Auch deswegen, weil gerade die Zurschaustellung des Heteroidylls erahnen lässt, dass die dynamisierten Geschlechterordnungen im neoliberalen Kapitalismus längst das konservative und rechte Milieu erfasst haben. Wenn auch die gewaltförmige Durchsetzung der rechten Familienideologie systematisch und ganz real zu Lasten der großen Mehrheit der Frauen geht, an der Verklärung der Geschlechterverhältnisse sind sie im rechten Milieu meist ganz gleichberechtigt beteiligt. Das Abfeiern von traditionellen Rollenbildern und die Hetze gegen alles Abweichende ist dort mitnichten exklusiv »männlichen Charakters«, wie nicht nur die dem Wiener Korporationsring nahestehende Wiener akademische Mädelschaft »Freya« zeigt. Auf Mensur immerhin wird verzichtet, um die hübschen Gesichter zu schonen, doch hinter der unversehrten Fassade herrscht die gleiche trübe Grausamkeit.
Die unheimliche Rückkehr des kleinen Glücks
Die so einfallslos wie leidenschaftlich betriebene Einrichtung des eigenen Lebens in der Kleinfamilie ist kein Privileg einer obskuren und rückwärtsgewandten Minderheit. Vielmehr scheint in der gegenwärtigen Krise der geschützte Innenraum der Paarbeziehung vielen zunehmend als einzig möglicher Verwirklichungsraum individuellen Glücks. An die Stelle sozialliberaler Autonomievorstellungen und neoliberaler Selbstverwirklichungsphantasien tritt seit ein paar Jahren, kaum sind deren materiellen Grundlagen in der Krise auch bei den Besserverdienenden in Westeuropa bedroht, erneut der geschützte familiäre Innenraum – auch wenn der von außen eher an einen Panic Room erinnert. Die Erwerbsarbeit von Frauen hat sich in den letzten zwanzig Jahren zwar ausgeweitet. Ökonomische Gleichheit und soziale Anerkennung hat sich für den überwiegenden Teil der Frauen gleichwohl nicht eingestellt. Während die unmittelbaren staatlichen Krisenbewältigungsmaßnahmen von der Bankenentschuldung bis zur Abwrackprämie vor allem männlich-dominierte Wirtschaftsbereiche stabilisiert haben, ist Vollzeitbeschäftigung von Frauen rückläufig. Ein beträchtlicher Teil der weiblicher Lohnarbeit findet in deregulierten und prekären Beschäftigungsverhältnissen statt. Der Abbau und der Ausverkauf sozialstaatlicher Einrichtungen verschärft die doppelte Ausbeutung der Frau durch geringer bezahlte Lohn- und unbezahlte Sorgearbeit. Aus der noch vor Kurzem herbeigeschriebenen »Krise der (Ernährer-)Männlichkeit« ist andererseits der so bärtige wie zupackende Hipstermann – flankiert von »Männerrechlern« auf der rechten und dem »Neuen Mann« auf der linken Seite – ziemlich unversehrt hervorgegangen. So kann das alte gesellschaftliche Leitbild zum Neuen avancieren.
Bürgerlichkeit als Privileg
Bei der Aufrechterhaltung der Geschlechterordnung geht es immer auch um die Sicherung von verschränkten Geschlechts- und Klassenprivilegien. Ihnen gilt die familiäre Mobilmachung. Denn auch die bürgerliche Kleinfamilie hat ihren Preis, will sagen, man muss sie sich erstmal leisten können, wenn beide arbeiten wollen bzw. immer häufiger müssen. Meist geschieht das auf Kosten anderer, etwa den Millionen von weiblichen Putz- und Pflegekräften aus Osteuropa und Asien, deren Elend ebensowenig wie die eigenen Privilegien in der Selbsterzählung der Konservativen einen Platz hat. Das Bekenntnis zur Bürgerlichkeit gerät so vor allem zur Rechtfertigung des jetzigen Zustands, an dem auch der Staat ein Interesse hat – anstatt etwa die private Reproduktionsarbeit zusammen mit der Gesellschaftlichen radikal umzuverteilen. Verwunderlich ist all das in Zeiten des permanenten Geredes über die Krise nicht, auch nicht angesichts der materiellen Vorzüge, die eine weiße Mittelschichtsfamilienexistenz so mit sich bringt. Frappierend ist aber die breite und selbstverständliche Akzeptanz ihrer ideologischen Rechtfertigung. Selbst wenn sich die Familienidyllen der alten wie der neuen Bürgerlichkeit mitunter schnell in einen patriarchalen Albtraum verwandeln – nicht nur im Berliner Prenzlauer Berg steigen die Scheidungszahlen und sind die Frauenhäuser voll –, kann das der allgegenwärtigen Sehnsucht nach Privatheit und family value, die von der extremen Rechten bis zu den Alternativos alle eint, offenbar nichts anhaben. Begleitet vom Trommelfeuer der Kulturindustrie wird das Leitbild des Neobiedermeier erfolgreich in Lebenswelt und Alltagsverstand verankert und greift längst auch auf abweichende Lebensweisen und Beziehungsmodelle über. Es kittet so die Brüche und Widersprüche der realen Existenzbedingungen (nicht nur) in krisenhaften Zeiten. Dass Faschisten meist nicht die Grünen wählen, und die Ökos selten die FPÖ, ist bei der sie einenden Logik von harmonischem Innen und bedrohlichem Außen keine Nebensache, zeigt aber deutlich, wie weit sich der gesellschaftliche Konsens im politischen wie im privaten Bereich zugunsten von konservativ-repressiven und autoritär-rechtspopulistischen Ordnungsvorstellungen verschoben hat. – Höchste Zeit, eben diesen eine deutliche Absage zu erteilen.
Nichts Reaktionäres fällt, wenn es nicht gestoßen wird
Am Freitag, den 24. Januar 2014 feiern und verbrüdern sich in der Wiener Hofburg unter dem selbstverliehenen Ehrentitel »gesellschaftlicher Leistungsträger« diejenigen, deren soziales Prestige und ökonomischer Reichtum auf Ausgrenzung und Unterdrückung, auf Chauvinismus, Rassismus und Sexismus gründet. Sie sehen sich als Elite und rechte Avantgarde Österreichs und Europas. Ehrverletzungen tragen sie untereinander noch immer am Liebsten mit der Waffe aus und sähen gern die ganze Gesellschaft unter ihrer Knute. Als Lösung der gegenwärtigen Krise haben sie vor allem parat: Zusammenrücken, den engen Gürtel, die harte Hand und die weitere Spaltung der Gesellschaft in oben und unten. Der WKR-Ball ist daher der perfekte Anlass, den reaktionären Krisenlösungen ein Beinchen zu stellen und den sauberen Herren und Damen wie den feschen Burschen und Madeln den Spaß zu verderben.
Wir sagen: WKR? WTF! Erteilen wir – gemeinsam und über alle Grenzen hinweg – auf den Straßen und Plätzen Wiens, rechten Ideologien und ihren politischen und kulturellen Vertreter*innen eine klare Absage. Der WKR-Ball ist nicht einfach nur Ausdruck einer unappetitlichen Gesinnung und Kultur, sondern Teil einer reaktionären, rechten Offensive angesichts der Krise. Das Gerede der rechten Eliten von Nation, Werten, Abendland, Alternativlosigkeit und Tradition verdeckt, dass es bessere Formen des gesellschaftlichen Lebens gibt. Um die lohnt es sich in der derzeitigen Krise zu kämpfen. Gewinnen und verteidigen kann man sie allerdings nur gegen Nation und Patriachat, Staat und Kapital. Der Kampf gegen die Reaktion ist daher immer auch der Kampf um das gute Leben für alle: Der solidarischen und freien Organisation unseres Zusammenlebens, jenseits von Ausgrenzung durch Klassengrenzen und Rassismus, jenseits von Zurichtung und Disziplinierung durch Geschlechterordnung und Sozialchauvinismus, jenseits der Zumutungen und Verwertungszwänge des Kapitalismus.
Ob Leistung, Abendland, Nation, Volk, Familie oder sonst ein Unsinn – spuckt den neuen und alten Rechten am 24. Januar 2014 ins Glas. Die letzte (und beste!) Party feiern wir. Die einzige Krisenlösung heißt Kommunismus!
- Demonstration
Freitag, 24. Januar 2014
17 Uhr, Landstraße, Wien Mitte - Antinationaler Workshoptag
Samstag, 25. Januar 2014
12 Uhr, Wien (Genauer Ort TBA)
Bussen fahren u.a. aus Berlin, Bremen, Frankfurt, Göttingen, Köln und Leipzig.